Die Biber in Ottenschlag und das Geheimnis der „verlorenen Teiche“
- Sabine Maier
- 18. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juli
Im vorigen Sommer wurde das Wandern auf einem meiner Lieblingswege ziemlich schwierig – die Biber waren nämlich in Ottenschlag angekommen. Und sie setzten den Weg regelmäßig unter Wasser!
Schon zuvor, im Frühsommer 2024, hatte ich die Biber im Kamptal entdeckt. Auf der wunderschönen Wanderroute von Roiten entlang am Kleinen Kamp bis zur „Hundertwassermühle“ hatten die Nager ganze Arbeit geleistet und dutzende Bäume am Wasser gefällt. Im Hochsommer waren die Biber dann in Ottenschlag angekommen und begannen, den winzigen Raxenbach im Haltergraben zu stauen.

Die Brücke im Haltergraben
Der Spaziergang durch den Haltergraben kann nach Lust und Laune eine kurze Frischluft-Session (Motto: einmal rauf und runter) oder eine eineinhalbstündige Wanderung vom Ottenschlager Zentrum zum Weyrerteich sein. In beiden Fällen kommt man an einem Ottenschlager Geheimnis vorbei: den „verlorenen“ Teichen. Doch dazu kommen wir erst später, erstmal wird gewandert.

Der Weg in den Haltergraben startet beim Unteren Ortsteich. Neben einem gemauerten Marterl, das einen heiligen Nepomuk in dramatischer Pose beherbergt, beginnt links ein breiter Weg, der leicht bergab an ein paar Wiesen vorbei in den Wald führt. Auch im Wald ist der Weg breit und angenehm zu gehen. Man marschiert immer geradeaus weiter, bis der Weg deutlich schmaler wird und man den kleinen, unscheinbaren Raxenbach erreicht. Über den führt – normalerweise – eine einfache Holzbrücke, die nur aus ein paar Brettern zusammengezimmert ist. Doch genau hier begannen die Biber im Sommer mit dem Bau eines Wehrs. Die Brücke wurde unpassierbar. Sie stand unter Wasser und drohte immer wieder, wegzuschwimmen. Und jedes Mal, wenn die Gemeinde die Brücke reparierte, erweiterten die Biber ihren Bau und fluteten die Brücke erneut.
Nun, mittlerweile scheinen sich die Tiere und das Amt geeinigt zu haben: Die „Staumauer“ wurde um 2 Meter verlegt und die Brücke kann nun wieder trockenen Fußes benutzt werden.
Der kleine Raxenbach aber hat mittlerweile deutlich an Größe zugelegt – wo früher ein Rinnsal durch den Wald gluckerte, beginnt nun dank der Biber ein kleiner Teich zu wachsen.
Das Verrückte an der Sache: Genau hier befand sich schon einmal ein Teich!
Die verlorenen Teiche von Ottenschlag
So archaisch und naturbelassen das Waldviertel wirkt, der Schein trügt: Das Waldviertel ist, gemeinsam mit dem angrenzenden Südböhmen, eine der größten künstlich angelegten Wasserlandschaften der Welt. Kein einziger der Teiche hier ist natürlich entstanden! Die Teiche von Ottenschlag und Gmünd, von Litschau und Zwettl sind Menschenwerk. Ab 1350 fluteten die Anwohner das unfruchtbare Land mit tausenden Teichen und begründeten damit die erste „Industrie“ der Region. In den Teichen wurde in großem Stil Fischzucht betrieben. (Siehe dazu auch den Blog Beitrag „Land der 1000 Teiche“)
Auch im Gemeindegebiet von Ottenschlag wurden zahlreiche Teiche angelegt. Der Obere und der Untere Ortsteich befinden sich heute im Zentrum der Marktgemeinde. Der romantische Himmelteich mitten im Wald wird zum Fischen verwendet. Und der schon ein Stückchen weiter entfernte Weyrerteich erinnert mit seiner ungewöhnlichen Form an einen norwegischen Fjord.
Wandert man im Haltergraben (nun wieder trockenen Fußes) über die kleine Holzbrücke, steigt der Weg sofort ein paar Meter steil bergan. Man landet auf einem Damm, der anscheinend unlogisch durch die Landschaft führt. Bis vor 200 Jahren hatte dieser Damm aber einen Sinn: Er bildete das nördliche Ende eines großen Teichs. Auf der historischen Karte „Österreich ob und unter der Enns (1809-1818) – Franziszeische Landesaufnahme“ ist der Teich noch eingezeichnet. Und südwestlich davon, nur ein kurzes Wegstück entfernt, befindet sich auf dieser Karte sogar noch ein Teich. Er war offensichtlich die größte der im Gemeindegebiet von Ottenschlag befindlichen Wasserflächen. Nur wenige Jahrzehnte später sind die beiden Teiche auf keiner Karte mehr zu finden – sie sind verschwunden. Warum die Teiche aufgelassen wurden, ist nicht mehr bekannt.
Geht man am Wanderweg den Damm entlang bis zu seinem Ende, kann man linker Hand immer noch gut das Becken des einstigen Teiches erkennen. Wo sich früher das Wasser befand, liegt heute eine von Wald umgebene Wiese.
Und nun endlich zurück zu unseren Bibern: Wo stauen sie ihren Teich auf? Genau am Anfang des Dammes – da wo bis vor 200 Jahren schon einmal ein Teich lag. Clevere Tierchen ;-)
PS. Wer sich für historische Landkarten interessiert: auf maps.arcanum.com findet man Karten zu Österreich und anderen europäischen Ländern aus unterschiedlichen Jahrhunderten.
Text: Sabine Maier
Die Ottilie ist ein Seminarzentrum und eine Ferienwohnung in Ottenschlag im Waldviertel – untergebracht in einem 500 Jahre alten Haus, gegründet von Journalistin und Buchautorin Sabine Maier. Zentrum: www.die-ottilie.at, Ferienwohnung: www.willkommen-ottilie.at
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