Waldviertel: Das Land der 1000 Teiche
- Sabine Maier
- 18. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Juli
1.800 Teiche gibt es heute im Waldviertel, 7.000 Teiche im daran anschließenden Süd-Böhmen. Sie sind Teil der Landschaft, zeitlos wie die großen Wälder und die ungewöhnlichen Steinformationen. Aber der Eindruck täuscht. Kein einziger dieser Teiche hier ist natürlich entstanden. Die Teiche von Gmünd bis Třeboň, von Písek bis Litschau sind Menschenwerk!

Künstliche Wasserlandschaften aus dem 14. und 15. Jahrhundert
Die BewohnerInnen des Waldviertels und Böhmens verstanden es schon früh, angebliche Nachteile ins Gegenteil zu verkehren. Sie fluteten das unfruchtbare, oft sumpfige Land mit tausenden Teichen und legten ab 1350 eine der größten künstlichen Wasserlandschaften der Welt an. Und sie schufen mit diesen großartigen Ingenieurleistungen nichts Geringeres als die erste „Industrie“ der Region. In den Teichen wurde nämlich im ganz großen Stil Fischzucht betrieben. Vor allem mit Karpfen versorgte man ganz Mitteleuropa. Und brachte so ab dem 15. Jahrhundert Reichtum ins Land.
Welch beeindruckenden Gewinne mit den Fischen zu erzielen waren, zeigt die Tatsache, dass plötzlich auch Herrschaften in klimatisch viel günstiger gelegenen Regionen wie dem Weinviertel und Süd-Mähren immer mehr Teichwirtschaft betrieben. Das Know-how für den Teich- und Kanalbau stammte dabei fast immer aus Süd-Böhmen. Sowohl im Waldviertel als auch im Weinviertel lässt sich die Tätigkeit böhmischer Teich-Baumeister nachweisen, die spezialisierte Handwerker und Teichgräber-Unternehmen aus ihrer Heimat nachholten. Die Technik des Teich-Baues war zum Exportschlager geworden.
Wieso uns der Anblick von Wasser glücklich macht
Im Waldviertel lassen sich heute viele Teiche entlang von Wanderwegen erleben. Der Teichkettenweg in Gmünd ist eine beliebte Wander- und Laufstrecke. In Hirschbach verbindet ein 7,5 km langer Rundwanderweg sechs idyllisch gelegene Teiche, das Herzstück der Hirschbacher Wasserlandschaft. Direkt bei den Teichen vermitteln Schautafeln Informationen über die Waldviertler Teichwirtschaft. Und in den Stiften Geras und Zwettl wird wöchentlich verkauft, was aus den Teichen des Klosters gefischt wird: die berühmten Waldviertler Karpfen.
Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen: Der Blick aufs Wasser tut unserer Seele gut. So zeigen etwa englische Studien der Uni Exeter, dass wir uns beim Verweilen am Wasser deutlich entspannen. Im Waldviertel gibt es also nicht nur jede Menge Wald zum „Wald-Baden“, sondern auch 1.800 Gelegenheiten, beim Anblick von Wasser glücklich zu werden.
In Ottenschlag, wo sich das Seminarzentrum „Ottilie“ befindet, kann man das beim Schwimmen im Oberen Ortsteich erleben, beim Eisessen im Café Einsiedl am Unteren Ortsteich, beim Fischen im Himmelteich oder mit Fjord-Feeling am Weyrerteich. Früher gab es sogar noch mehr Teiche im Ort – über die „verlorenen Teiche“ von Ottenschlag habe ich hier geschrieben.
Und wer wissen will, was sich unter Wasser in einem Waldviertler Teich abspielt, kann das im UnterWasserReich Schrems in einer interaktiven Ausstellung erleben. In Aquarien leben dort neben Karpfen auch Sterlets und Rotaugen, die Mikroskop-Liveshows zeigen das Plankton, das direkt vor dem Museum aus dem Teich geholt wurde und im Freigelände kann man Fischotter beobachten.
Naturschutz trotz intensiver Bewirtschaftung
In Zeiten wie unseren, in denen die Zerstörung der Natur ein immer bedrohliches Ausmaß annimmt, sind die Teiche aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert ein interessantes Gegenbeispiel. Die intensive Bewirtschaftung führte hier nämlich nicht zur Vernichtung von Naturwerten, sondern ist ein außergewöhnliches Beispiel dafür, wie Mensch und Natur in Harmonie existieren können. Neben der Fischzucht halten die Teiche beträchtliche Wassermengen zurück (auch bei Jahrhunderthochwassern), haben einen günstigen Einfluss auf das Mikroklima der Region und sind vor allem als Rückzugsort für Pflanzen und Tiere von unschätzbarem Wert.
Übrigens: Im Jahr 2028 wird die niederösterreichische Landesausstellung in Gmünd und Zwettl stattfinden – thematisch wird sich die Ausstellung um die einzigartige Wasserwelt des Waldviertels drehen.
Buchtipp: Mehr Informationen und Bilder zu den Teichen des Waldviertels und Süd-Böhmens findet Ihr in meinem Buch „Unter einem Himmel. Über Wege und Orte in niederösterreichisch-tschechischen Regionen“. Ihr könnt das Buch in der Ottilie kaufen oder per E-Mail bei mir bestellen.
Text: Sabine Maier
Die Ottilie ist ein Seminarzentrum und eine Ferienwohnung in Ottenschlag im Waldviertel – untergebracht in einem 500 Jahre alten Haus, gegründet von Journalistin und Buchautorin Sabine Maier. Zentrum: www.die-ottilie.at, Ferienwohnung: www.willkommen-ottilie.at



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