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Die Störche von Ottenschlag – hautnah erleben

Aktualisiert: 26. Aug.

Irgendwann ab Mitte März steigt jedes Jahr in Ottenschlag die Spannung und die Einwohnerzahl. Die Störche kommen! Im Innenhof eines Nachbarhauses der Ottilie brütet jedes Jahr ein Weißstorchenpaar und bringt Wirbel und Geklapper in den Garten.


Störche vor dem Schloss Ottenschlag

Foto: Karoline Grill


Storchenleben im Waldviertel – Brut und Ankunft im März


Heuer war es am 24. März so weit. Das Männchen kommt immer als erstes und beginnt dann schnell, das Nest zu reparieren und auszubauen. Im Lauf der Jahre werden die Nester (Horste genannt) immer größer und können bis zu 900 kg wiegen! Ein paar Tage später trifft dann auch das Weibchen ein. Storchenpaare können viele Jahre zusammenbleiben, tun es aber nicht zwingend. Sie sind „Nest-treu“. Sprich, sie kehren immer wieder zum gleichen Nest zurück – und wenn sich dann die selben Störche wie im Vorjahr beim Nest einfinden, sind sie wieder für eine Saison ein Liebespaar.



Störche im Horst, Ottenschlag/Waldviertel
Foto: Sabine Maier

Die Storchenfamilie von Ottenschlag


Im Gegensatz zur Storchenstadt Rust, wo die Störche 1 bis 2 Junge großziehen, steht das Ottenschlager Storchenpaar auf Großfamilie. In den letzten drei Jahren waren es immer 4 Junge, 2025 wurden 3 Jungstörche aufgezogen. In den ersten Monaten wird der Nachwuchs nie im Nest allein gelassen. Die Eltern wechseln sich beim Babysitting ab (halbe-halbe ist da schon längst Realität ;-) und sind im Dauereinsatz. Rund 5 Kilo Futter müssen täglich rangeschafft werden. Schwerstarbeit! Neben Fröschen werden auch Mäuse, Regenwürmer und Insekten gefressen.


Die vielen Teiche in und um Ottenschlag (über die ich hier: Waldviertel: Das Land der 1000 Teiche geschrieben habe) sind ein ideales Futterrevier.


Wenn die Jungen schon fast so groß wie die Eltern sind, aber noch nicht fliegen können, wird es im Nest zu eng. Dann zieht Papa Storch aus und wechselt in der Nacht auf den Rauchfang der Ottilie – da hat er das Nest im Blick und genügend Platz für seine langen Beine.


Storch-Familie auf dem Feld Ottenschlag
Foto: Karoline Grill

Junge Störche beim Flugtraining in Ottenschlag


Im Juli beginnt das Flugtraining. Die ersten Flugversuche gehen nur über die Straße zum Dach der Raiffeisen Bank. Die hat nämlich ein großes Flachdach, auf dem das Landen halbwegs einfach ist. Nach ein paar Tagen geht es dann auch los mit der Futtersuche. Aber selbst wenn die Jungen schon völlig selbständig sind, sitzen sie am Abend im Nest und jammern, bis Mama oder Papa Futter zum Abendessen bringen. Eigentlich wie bei Menschenkindern ;-)


Zug der Störche: Von Ottenschlag nach Afrika


Mitte August fliegen die Störche ins Winterquartier nach Afrika. Spannend: Die Jungen fliegen rund eine Woche früher ab! Da sie noch nicht so kräftig sind wie die Eltern, benötigen sie mehr Zeit für die Reise. Den unglaublich langen Weg lernen sie also nicht von den Erwachsenen, den haben sie in den Genen.

Sobald die Jugend abgeflogen ist, machen sich die Eltern noch ein paar schöne Tage. Da wird geschnäbelt und geklappert und sich gegenseitig die Federn geputzt. Ein paar kuschlige Tage, bevor auch sie sich auf den Weg machen.


Zugrouten der Waldviertler Störche – spannende Fakten


Wohin verschwinden die Störche im Herbst? Auf alle Fälle nicht ins Wasser – der deutsche Gelehrte Albertus Magnus (1193-1280) glaubte nämlich noch, die Störche würden den Winter im Wasser schlafend verbringen. Angeblich kam eine deutsche Gräfin der Wahrheit schon näher: Sie markierte einen Storch mit einem Silbermedaillon und ebenjener Storch wurde 1846 in Palästina gefangen und konnte anhand des Schmuckes identifiziert werden. 1899 erfand der dänische Lehrer Hans Christian Mortensen schließlich die Methode der Vogelberingung. Seither weiß man, dass Störche die unglaubliche Strecke von über 10.000 Kilometern zurücklegen – zweimal im Jahr!

 

Die gewaltigen Entfernungen – in den zwei bis vier Zugmonaten fliegen die Störche im Schnitt 150 bis 300 Kilometer pro Tag – könnten die Störche niemals im „Ruderflug“ (also mit Flügelschlag) zurücklegen. Das würde viel zu viel Kraft kosten. Sie nutzen daher warme Aufwinde, die ihnen einen energiesparenden Segelflug erlauben. Wie Segelflugzeuge schrauben sie sich bis zu tausend Meter hoch und liegen dann mit einer Flügelspannweite von zwei Metern quasi auf der warmen Luft und reisen, ohne auch nur einmal mit den Flügeln schlagen zu müssen.


Die Ost-Route der Störche: Über den Bosporus nach Afrika


Störche fliegen niemals übers offene Meer. Die meisten Weißstörche Mitteleuropas – auch die aus dem Waldviertel – wählen für ihren Zug nach Afrika die östliche Route, wo sie am Bosporus das Mittelmeer überqueren. Von der Türkei geht es dann zunächst bis in den Sudan und dann weiter nach Tansania und sogar nach Südafrika.

 

Die am besten erforschte Zugroute der Welt ist der Weg durch Israel, Palästina und Jordanien. Der Grund ist einfach: Die Störche ziehen entlang des Jordan in großen Gruppen und es kam immer wieder zu Kollisionen zwischen Flugzeugen und Störchen. Seit Jahren überwacht daher das israelische Militär im Herbst und im Frühjahr die Zugvögel per Satellit. Kreuzt ein Schwarm Störche die geplante Route von zivilen oder militärischen Flugzeugen, erhalten diese vom Zugvogelzentrum der Luftwaffe solange Startverbot, bis die Vögel außer Reichweite sind.

Nachdem sie den Sinai überquert haben, fliegen die Störche dann über den Golf von Suez und folgen dann dem Verlauf des Nils bis zur sudanesischen Grenze.


Die West-Route der Störche: Über Gibraltar in den Süden


Die Störche Südwestdeutschlands und Vorarlbergs nehmen wie ihre Artgenossen aus Frankreich, Spanien und der Schweiz die westliche Zugroute über Gibraltar und die Sahara, um in der westafrikanischen Sahelzone zwischen Senegal und Tschad den Winter zu verbringen. In den letzten Jahren hat sich das aber deutlich geändert: Immer mehr Störche haben den Weiterzug aufgegeben! Sie bleiben in Südspanien – wo sie auch in den Wintermonaten auf Mülldeponien ausreichend Nahrung finden.

Um im nächsten März wieder zu kommen…

 

Die schönen Fotos der Ottenschlager Störche stammen übrigens von der Fotografin Karoline Grill! Die 3 Jungstörche suchen da unter Anleitung von Papa Storch Futter auf der Wiese vor dem Schloss.

 

Buchtipp: Holger Schulz „Boten des Wandels. Den Störchen auf der Spur“

Onlinetipp: Der deutsche Naturschutzbund NABU hat Störche mit Satelliten-Sendern versehen, um die Störche bei ihrem Flug verfolgen zu können. Kann man online mitverfolgen. https://blogs.nabu.de/stoerche-auf-reisen/


Fotos: Karoline Grill, Sabine Maier, Grafik: Flugrouten der Weißstörche - Wikipedia

Text: Sabine Maier


Die Ottilie ist ein Seminarzentrum und eine Ferienwohnung in Ottenschlag im Waldviertel – untergebracht in einem 500 Jahre alten Haus, gegründet von Journalistin und Buchautorin Sabine Maier. Zentrum: www.die-ottilie.at, Ferienwohnung: www.willkommen-ottilie.a


 
 
 

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