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Lost Places: Eine vergessene Bahnbrücke im Wald von Ottenschlag

Aktualisiert: 22. Juli

vergessene Bahnbrücke im Wald von Ottenschlag
Foto: Sabine Maier

Ottenschlag: Das Viadukt beim Weyrerteich


Die Jahre von 1896 bis 1906 waren eine spannende Zeit für das Waldviertel. Überall wurden Bahnstrecken gebaut. Von 1906 an fuhr auch die „Localbahn von Zwettl nach Martinsberg“. Doch das ist lange vorbei. Die Bahnstrecke wurde eingestellt, die Schienen längst abgetragen. Alles was blieb, ist eine riesige Brücke mitten im Wald bei Ottenschlag.


Ottenschlag: die zweitgrößte Poststation des Landes


Spannenderweise hat das sogar etwas mit der Ottilie zu tun. Dafür muss ich ein bisschen ausholen. Das Haus, in dem sich heute die Ottilie befindet, war einst im Besitz der Familie Riether. Die „First Family“ von Ottenschlag prägte viele Jahrzehnte hindurch das Leben in der Gemeinde. Unter anderem gründete Franz Riether im Jahr 1849 – mit kaiserlichem Patent – eine Post- und Fahrstation in Ottenschlag. Sein Sohn, der ebenfalls Franz hieß und zugleich Bürgermeister von Ottenschlag war, vergrößerte die Poststation und verlegte sie zwei Häuser weiter, da der Pferdestall im Haus der Ottilie zu klein geworden war.

Im Jahr 1892 unterhielt die Poststation Ottenschlag 30 Pferde und zehn Kutscher. Was die Länge der befahrenen Poststrecken betraf, war Ottenschlag in dieser Zeit die zweitgrößte Poststation des Landes nach Wien.


Die historische Bahnstrecke Zwettl – Martinsberg


Viadukt
Foto: Linie29

Im Jahr 1906 hielt die Zukunft Einzug im Waldviertel: Das Bahnzeitalter begann. Eine eigene Zugstrecke von Schwarzenau über Zwettl und Ottenschlag nach Martinsberg wurde eröffnet. Die Riethersche Postkutschenstrecke nach Zwettl musste daher eingestellt und der Pferdebestand reduziert werden.

Gerüchten zufolge hatten es die Ottenschlager der mächtigen Familie Riether zu „verdanken“, dass die Zugstation Ottenschlag erstaunlich weit vom Ort entfernt lag. Die Haltestelle Ottenschlag befand sich in Neuhof, einem zur Marktgemeinde gehörenden Dorf. Dieses war so weit von Ottenschlag entfernt, dass man trotzdem eine Postkutsche benötigte, um vom Bahnhof ins Ortszentrum zu gelangen.


Localbahn: Aktionäre aus Ottenschlag


Dennoch gehörte die Familie Riether – zusammen mit den damaligen Schlossbesitzern Familie Falkenhayn – zu den großen Befürwortern der Bahnstrecke. Am 16.10.1899 sandte die Gemeinde Ottenschlag eine Delegation nach Zwettl, die alle nötigen Details des Bahnbaus klären sollte. Die Marktgemeinde wurde in der Folge zu einem wichtigen Betreiber des Bahnbaus und Eduard Riether (ja, schon wieder ein Riether, der Bruder von Franz), Bürgermeister und Sparkassendirektor, war wohl der bedeutendste Unterstützer des Bahnprojekts aus dem bürgerlichen Lager der Region. Gemeinde und Sparkasse Ottenschlag beteiligten sich an den Planungskosten und kauften später auch Aktien der privaten Bahngesellschaft. Die Sparkasse Ottenschlag war mit 30.000 Kronen Einlage einer der Hauptaktionäre.


Der Bau der Localbahn Zwettl – Martinsberg


Für die Bahnlinie Zwettl – Martinsberg war die technisch herausfordernde Konstruktion von zwei bemerkenswerten Bauwerken erforderlich. In Zwettl wurde eine 271 Meter lange Brücke über den Kamp gebaut, die heute noch steht und erst 1999 renoviert wurde. Das zweite Bauwerk findet sich im Wald zwischen Spielberg und Neuhof und ist rund 100 Meter lang – das Viadukt am Weyrerteich, das über die Krems führt. Gebaut wurden beide Brücken in Rekordzeit von der Prager Maschinenbau AG.


Das Bahnzeitalter im Waldviertel


Alte Gleisstücke in Grafenschlag
Foto: Sabine Maier

Am Montag, den 15.10.1906 war die Bahnlinie Zwettl – Martinsberg vollendet und ging sofort in Betrieb. Täglich fuhren drei Züge von Zwettl nach Martinsberg und drei Züge retour. 1908 wurde die Fahrtgeschwindigkeit von 30 auf 40 km/h erhöht.

80 Jahre lang bis 1986 wurde diese Strecke für den Personenverkehr benutzt. Bis 2014 transportierte man dann noch Güter, vor allem Holz, auf der Bahnlinie.

Im August 2014 war aber Schluss, die Schienen von Waldhausen bis Martinsberg wurden abgetragen. Nur an einigen wenigen Stellen erinnern noch Gleisstücke an die Zeit der Eisenbahn. In Grafenschlag finden sich noch ein paar Meter Schienen und ein Bahnwartehäuschen, in dem sich heute das Museum klemuwa befindet. (Eine Story zum klemuwa findet Ihr hier.) Und in Neuhof erkennt man die Schienen noch an einem Straßenübergang Richtung Himmelteich.


Geheimtipp für Wanderer und Eisenbahn-Fans


Das imposante Viadukt mitten im Wald ist ebenfalls stehen geblieben. Ohne Sinn und Aufgabe ragt es mit seinen beeindruckenden 100 Metern Länge über 12 Meter in die Höhe und erinnert an längst vergangene Zeiten. Ein Wander- und Radweg führt unter der Brücke hindurch und erreicht nach einem kurzen Stück den idyllischen Weyrerteich.


Der Geisterbahnhof von Ottenschlag


Bahnhof von Ottenschlag
Foto: Sabine Maier

Wer sich für Bahn-Geschichte oder Lost Places interessiert, findet ganz in der Nähe gleich noch ein Ziel. In Neuhof steht immer noch der Bahnhof von Ottenschlag: verlassen und langsam vor sich hin bröckelnd. Der Schriftzug ist aber noch gut zu erkennen.

Der Bahnhof und ein einst dazugehöriger Holzbau liegen am westlichen Ende des heutigen Lagerhaus-Geländes. Seit einigen Jahren befindet sich das Gebäude in Privatbesitz, Betreten ist natürlich verboten.


Lost Places Ottenschlag


Auch wenn man unter Lost Places heute mittlerweile schon verlassene Hotels oder Villen versteht, war der Ausdruck ursprünglich gleichbedeutend mit Ruinen aus der Industriegeschichte. In diesem Sinne sind das Viadukt in Ottenschlag und der historische Bahnhof in Neuhof ganz klassische Lost Places – Plätze, an denen sich vergessene Geschichte hautnah erleben lässt. Und die man wunderbar erwandern kann.


Viadukt: Der kürzeste Fußweg beginnt an der Landstraße L78 nördlich von Neuhof auf der Höhe Schützenmühle.

Bahnhof Ottenschlag: Ortsende Neuhof, Lagerhaus



Fotos: Sabine Maier

Text: Sabine Maier


Die Ottilie ist ein Seminarzentrum und eine Ferienwohnung in Ottenschlag im Waldviertel – untergebracht in einem 500 Jahre alten Haus, gegründet von Journalistin und Buchautorin Sabine Maier. Zentrum: www.die-ottilie.at, Ferienwohnung: www.willkommen-ottilie.at

 
 
 

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