Zeitreise zurück in die Jahrhundertwende: das Fotoatelier Seidel in Český Krumlov
- Sabine Maier
- 18. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 25. März
Manchen sind vielleicht schon die hübschen alten Familienfotos aufgefallen, die ich hin und wieder sowohl auf der Webseite der Ottilie als auch in Prospekten verwende. Es handelt sich dabei um Originalportraits von meiner Tochter und mir. Und weil ich euch heute den Geheimtipp verrate, wo man so etwas machen lassen kann, gibt es hier nun einen Ausflugstipp nach Tschechien. Genauer nach Český Krumlov, früher Krumau genannt.

Kurztrip ins malerische Český Krumlov
Český Krumlov liegt nicht weit von der Grenze zum Waldviertel entfernt. Von Gmünd und Weitra sind es 60 Minuten, von Ottenschlag aus fährt man mit dem Auto 1h40.

Kunstsinnige Menschen kennen das Städtchen aufgrund eines berühmten Malers: Egon Schiele, dessen Mutter aus Krumau stammte, hat keine Stadt so oft gemalt wie diese. Er liebte die verschlungenen Gässchen und das südländische „Siena-Licht“, wie er es nannte. Was die sittsamen Bürger Krumaus aber nicht daran hinderte, ihn schon nach kurzer Zeit wegen Unsittlichkeit aus der Stadt zu schmeißen.
Český Krumlov hat aber weit mehr zu bieten als das. Eine pittoreske Lage in der Flussschleife der Moldau, eine vollständig erhaltene (und perfekt renovierte) Altstadt, ein sensationelles Riesen-Schloss, das sich mehr als einen Kilometer eine Felswand entlang zieht, ein original erhaltenes Barocktheater und eine Vielzahl an Museen. Romantik pur. Im Sommer ist die autofreie Altstadt deshalb randvoll mit Touristen.
Die Villa Seidel
Verlässt man die Altstadt über die Moldaubrücke „Most Dr. E. Beneše“, landet man schnell in der Linecká Straße. Auf Nummer 272 betritt man durch einen hübschen Vorgarten mit Rosenbeten ein stilles Refugium, das so gar nicht ins Touristen-überfüllte Krumlov passt. Im Jahr 1905 ließ hier Josef Seidel eine gelbe Villa für sich und seine Familie bauen. Seidel war ein bekannter Fotograf, der nicht nur für seine Portraits berühmt war (er hatte dazu extra ein verglastes Tageslicht-Studio im Dach bauen lassen), sondern der es mit seinen Landschaftsaufnahmen der böhmischen Region zu Wohlstand gebracht hatte.
Bis heute ist sein Archiv mit 160.000 Fotografien erhalten geblieben. Die Bilder wurden gleich vor Ort, im Erdgeschoss der Villa, zu Ansichtskarten verarbeitet. Das Geschäft florierte, mehrere Angestellte waren ständig mit der Produktion beschäftigt. Die Tradition des berühmten Vaters wurde nach dessen Tod vom Sohn Franz Seidel fortgesetzt – bis zum Jahr 1948. Die Enteignung durch die kommunistische Partei war für Franz Seidel ein solcher Schock, dass er das Atelier in seinem Leben nie wieder betrat.
Wohl auch aus diesem Grund ist das Atelier bis heute in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben. Und es ist seit einigen Jahren wieder öffentlich zugänglich. Das „Museum Fotoatelier Seidel“ ist eine Zeitreise zurück in die Jahrhundertwende. Die Verkaufsräume wurden in Zusammenarbeit mit Zeitzeugen rekonstruiert, die Technik von der Rollendruckmaschine bis zum ehemaligen Tageslicht-Kopierraum wurde wieder aufgebaut. Auch die Wohnräume der Familie Seidel kann man besichtigen. Und wer bis unters Dach hochsteigt, findet dort noch Tausende Glasnegative, sortiert und gestapelt. Ein Schatz aus längst vergangener Zeit.
Geheimtipp: Porträts wie anno dazumal im Fotostudio aus 1905
Besonders schön: Das Fotostudio unter dem gläsernen Dach kann man nicht nur besichtigen, man kann sich hier auch vor den original erhaltenen Leinwänden fotografieren lassen. Mit denen werden – wie in alten Fotostudios üblich – ganze Szenen kreiert. Man kann sich wie Schwimmer um die Jahrhundertwende in einem „Beach Club“ fotografieren lassen, aber auch vor einem gemalten Gebirge mit kompletter Skiausrüstung. Der Fantasie sind (beinahe) keine Grenzen gesetzt – ein riesiger Fundus an passenden Accessoires sowie Kleidung aus der Zeit machen aus dem Fototermin ein äußerst unterhaltsames Verkleidungsspiel. Die Fotoassistentin hilft beim Umkleiden und Stylen und hat ein wirklich gutes Auge für die passenden Größen. Die Fotos selbst werden von einer sympathischen Fotografin mit Digitalkamera aufgenommen. Mit den alten Plattenkameras würde es dann doch zu lange dauern :-)
Man bucht am besten vorab einen Termin. Bei einem einstündigen Termin werden mindestens fünfmal die Accessoires und die Anordnung der zu portraitierenden Menschen geändert. Ungefähr drei Wochen nach dem Fotoshooting erhält man dann eine große Auswahl aus den Fotos digital zugeschickt – in Sepia und koloriert.
Der Spaß hat einen überraschend günstigen Preis: Ein Portrait inklusive Styling und digitale Fotos beginnt bei circa 45 €. Möchte man vor Ort Abzüge auf original Seidel-Fotopapier machen lassen, kosten diese extra.
Wichtig: in Tschechien kann man nicht mit Euro zahlen! Also Geld wechseln nicht vergessen.
Und wenn Ihr mehr Geschichten über Český Krumlov lesen wollt, gebt mir Bescheid. Es gäbe noch einiges zu erzählen ;-)
Museum Fotoatelier Seidel
Linecká 272
Český Krumlov
Di-So 9:00 bis 12:00, 13:00 bis 16:00 Uhr
Buchtipp: Mehr Informationen und Bilder zu Český Krumlov findet Ihr in meinem Buch „Unter einem Himmel. Über Wege und Orte in niederösterreichisch-tschechischen Regionen“. Ihr könnt das Buch in der Ottilie kaufen oder per E-Mail bei mir bestellen.
Text: Sabine Maier
Die Ottilie ist ein Seminarzentrum und eine Ferienwohnung in Ottenschlag im Waldviertel – untergebracht in einem 500 Jahre alten Haus, gegründet von Journalistin und Buchautorin Sabine Maier. www.die-ottilie.at
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